Beschluss vom 29. Juli 2022 - 2 BvR 1154/21
Court | Bundesverfassungsgericht (Deutschland) |
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220729.2bvr115421 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2022 - 2 BvR 1154/21 -, Rn. 1-37, |
Judgement Number | 2 BvR 1154/21 |
Date | 29 t 2022 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1154/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
- Bevollmächtigter:
- Rechtsanwalt (…) -
gegen |
den Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 15. April 2021 - 2 T 215/21 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hermanns,
den Richter Maidowski
und die Richterin Langenfeld
am 29. Juli 2022 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 15. April 2021 - 2 T 215/21 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
- Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen
- Damit wird der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 21. Juni 2021 - 2 T 215/21 - gegenstandslos
- Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
I.
1. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mayen vom 23. Juni 2014 - 7 IN 148/13 - wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers das Insolvenzverfahren eröffnet.
2. Nach Ablauf von sechs Jahren stand die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die beantragte Restschuldbefreiung an. In diesem Zusammenhang wies dieses mit Verfügung vom 7. Dezember 2020 die Gläubiger darauf hin, dass der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegen könne, da der Beschwerdeführer nach Verfahrenseröffnung durch Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 11. Februar 2019 - 26 Ds 2050 Js 53405/14 - wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.
Im Anschluss stellten einige Gläubiger schriftsätzlich mit dieser Begründung einen Versagungsantrag.
3. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 15. März 2021 versagte das Amtsgericht daraufhin dem Beschwerdeführer die Restschuldbefreiung. Wegen der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Bankrotts liege der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor.
4. Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. April 2021 sofortige Beschwerde ein. Der Beschluss sei aufzuheben, da bis jetzt kein wirksamer Versagungsantrag vorliege. Das Verfahren sei mit Beschluss vom 23. Juni 2014 eröffnet worden. Weder dem Eröffnungsbeschluss noch einem sonstigen Beschluss sei zu entnehmen, dass das Verfahren schriftlich geführt werde. Vielmehr sei es bis jetzt mündlich geführt worden. Nach dem Gesetz sei der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin zu stellen. Vorher könnten allenfalls „Antragsankündigungen“ vorliegen. Aus diesem Grund müsse zumindest ein Zwischentermin zwecks Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Restschuldbefreiung stattfinden.
5. Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit nicht angegriffenem Beschluss vom 7. April 2021 nicht ab und legte das Verfahren dem Landgericht zur Entscheidung vor. Im Eröffnungsbeschluss müsse nicht festgelegt werden, ob das Verfahren schriftlich oder mündlich betrieben werde. Da ein Schlusstermin noch nicht stattgefunden habe, erfolge die Entscheidung über die Restschuldbefreiung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach Ablauf des Abtretungszeitraums von sechs Jahren.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 15. April 2021 wies das Landgericht die sofortige Beschwerde zurück. Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung die Restschuldbefreiung versagt, da der Beschwerdeführer nach Verfahrenseröffnung wegen Bankrotts verurteilt worden sei. Die in der Beschwerdeschrift aufgeworfenen Rechtsfragen seien hinsichtlich einer Abänderung der Entscheidung nicht relevant, denn es werde nach eigener Prüfung die Rechtsauffassung des Amtsgerichts geteilt.
7. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag, jedoch erst nach Beschlussfassung beim Landgericht eingegangen, ergänzte der Beschwerdeführer sein Beschwerdevorbringen. Das Insolvenzverfahren sei am 23. Juni 2014 eröffnet worden. Zum 1. Juli 2014 sei die Insolvenzordnung in großen Teilen geändert worden. Insbesondere sei § 290 Abs. 1 InsO a.F., nach dem die Versagung im Schlusstermin zu beantragen sei, dahingehend geändert worden, dass der Antrag bis zum Schlusstermin beziehungsweise bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO schriftlich gestellt werden könne (§ 290 Abs. 1 und 2 InsO n.F.). Gemäß Art. 103h EGInsO finde jedoch auf vor dem 1. Juli 2014 eröffnete Insolvenzverfahren die alte Rechtslage weiterhin Anwendung.
8. Nachdem das Landgericht mit Schreiben vom 22. April 2021 mitteilte, dass der Schriftsatz vom 15. April 2021 erst nach Beschlussfassung eingegangen sei, nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021 nochmals zu dem Vorgang Stellung und wies insbesondere auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2018 - IX ZB 12/16 - sowie vom 12. April 2018 - IX ZB 60/16 - hin.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 erklärte der Beschwerdeführer schließlich, dass sein Schriftsatz vom 3. Mai 2021 vorsorglich als Anhörungsrüge zu verstehen sei.
9. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 21. Juni 2021 wies das Landgericht die Anhörungsrüge zurück. Die Anhörungsrüge sei schon unzulässig, da das rechtliche Gehör nicht verletzt sein könne, weil der...
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