BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 792/11 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn R…,
Buchtstraße 13, 28195 Bremen -
gegen a) | den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 2011 - 5 StR 534/10 -, |
b) | das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 3. Juli 2010 - 11 Ks 321 Js 2/09 (1/10) - |
und | Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts M. |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Landau
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 30. Juni 2014 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts M. wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung einer strafprozessualen Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO und rügt, dass die Entscheidung ohne Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ergangen sei und keine Begründung aufweise. Hierdurch sieht er sein Recht auf öffentliche Verhandlung, sein Recht, sich selbst zu verteidigen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, seinen Anspruch auf prozessuale Waffengleichheit und die Pflicht zur Begründung gerichtlicher Entscheidungen verletzt (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG). Als Maßstab für die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes sei insoweit Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen.
Eine öffentliche Verhandlung sei nach Art. 6 EMRK nur dann entbehrlich, wenn sich eine Instanz allein mit hochtechnischen oder rein rechtlichen Fragen beschäftige oder wenn eine Möglichkeit bestehe, durch einen Antrag die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu erreichen. Dabei seien Fragen der Subsumtion nicht als Rechtsfragen in diesem Sinne, sondern als Sachverhaltsfragen anzusehen.
Das Recht, sich selbst zu verteidigen, sei dadurch verletzt, dass ein Angeklagter nur indirekt, nämlich über seinen Verteidiger, in der Revisionsbegründung vortragen könne. Nach Art. 6 EMRK habe aber auch ein Gericht zweiter Instanz bei der Beurteilung der Schuldfrage den Angeklagten persönlich zu befragen, wenn dieser sich bestreitend verteidige. Der Beschwerdeführer hätte daher als Ausgleich für seine strukturelle Unterlegenheit gegenüber der Staatsanwaltschaft und zur Wahrung seines Rechts, sich selbst zu verteidigen, in einer Revisionshauptverhandlung angehört werden müssen.
Das Gebot der prozessualen Waffengleichheit sei als Chancengleichheit zu verstehen. Hiergegen werde verstoßen, da praktisch jede Revision der Staatsanwaltschaft zu einer Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz führe, dies bei Revisionen des Angeklagten dagegen einen Ausnahmefall darstelle.
Nur in Kenntnis der Gründe, die das Revisionsgericht zur Verwerfung der Revision bewogen haben, könne der Angeklagte eine sinnvolle Entscheidung darüber treffen, ob er eine Anhörungsrüge oder eine Verfassungsbeschwerde erheben oder aber die Verwerfung seiner Revision hinnehmen solle. Dies zeige, dass die Begründungspflicht in einem Sachzusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs stehe. Ferner sei eine Begründungspflicht - auch in sämtlichen Revisionsverfahren - erforderlich zur Eigen- und Fremdkontrolle und setze das erkennende Gericht unter einen Plausibilitätsdruck.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie zum Teil mangels substantiierter Darlegung einer Grundrechtsverletzung unzulässig und im Übrigen unbegründet ist. Weder die Entscheidung im Beschlusswege ohne Revisionshauptverhandlung (1.) noch das Fehlen einer Begründung der Entscheidung (2.) ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden. Hieran ändert auch der Vortrag des Beschwerdeführers zur konventionsrechtlichen Beurteilung nichts (3.).
1. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof über die Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat.
a) Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 36, 85 ; 60, 175 ; 89, 381 ; stRspr). Der Beschwerdeführer hatte in seiner Revisionsbegründung (§ 344 StPO) und in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Gelegenheit, sich umfassend zu äußern. Er trägt nicht substantiiert vor, dass er sein Revisionsvorbringen in schriftlicher Form nicht ausreichend habe deutlich machen können (vgl. BVerfGE 112, 185 ).
b) Es genügt den Anforderungen an ein faires Strafverfahren, dass im Revisionsverfahren der Verteidiger oder ein Rechtsanwalt für den Angeklagten Stellung nimmt. Eine mündliche Verhandlung muss nicht zu dem Zweck durchgeführt werden, damit sich ein Angeklagter unabhängig von seinem Verteidiger äußern kann (vgl. BVerfGE 54, 100 ; 64, 135 ). Im Übrigen hat der Angeklagte nach § 345 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen, auch zur Ergänzung der von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt abgegebenen Revisionsbegründung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 345 Rn. 9).
c) Die Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ist auch nicht zur Herstellung prozessualer...