Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2005:rk20050512.1bvr056905 |
Judgement Number | 1 BvR 569/05 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. (1-35), |
Date | 12 Mayo 2005 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 569/05 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. | der Frau K... , |
2. | des Herrn K... |
Antoniterstraße 18, 50226 Frechen -
gegen a) | den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2005 - L 12 B 2/05 SO ER -, |
b) | den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28. Januar 2005 - S 15 SO 15/05 ER -, |
c) | den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. April 2005 - L 12 B 4/05 AS ER -, |
d) | den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 9. März 2005 - S 10 AS 5/05 ER - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
und die Richter Steiner,
Gaier
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a und § 93 c BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. Mai 2005 einstimmig beschlossen:
- Die Beschlüsse des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. April 2005 - L 12 B 4/05 AS ER - und des Sozialgerichts Köln vom 9. März 2005 - S 10 AS 5/05 ER - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Sozialgericht Köln zurückverwiesen.
- Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
- Dadurch erledigt sich Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
- Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft sozialgerichtliche Eilverfahren wegen der Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer.
I.
1. Die Beschwerdeführer bezogen Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Ab Oktober 2003 stellte der Träger der Sozialhilfe die Leistungen ein. Er hatte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer, da diese von Januar 2001 bis August 2003 nacheinander zwei Pkw gehalten hatten, auf Wochenmärkten Dienstleistungen anboten und einen Sparvertrag mit 25 € monatlich bedienten. In der Folgezeit beantragten die Beschwerdeführer mehrfach erneut Sozialhilfe. Sie trugen vor, die Pkw hätten einem (namentlich benannten) Bekannten gehört, der auch die Kosten getragen habe. Die Einkünfte aus den Märkten seien geringfügig gewesen. Diese Anträge lehnte der Sozialhilfeträger ab, weil nach wie vor Zweifel an der Mittellosigkeit beständen. Sowohl gegen die Einstellung der Leistungen als auch gegen die Ablehnung der Folgeanträge begehrten die Beschwerdeführer bei den Verwaltungsgerichten erfolglos einstweiligen Rechtsschutz. Allerdings übernahm der Sozialhilfeträger auf eine Anregung des Oberverwaltungsgerichts hin die Krankenversicherungsbeiträge bis einschließlich Dezember 2004.
2. Nach der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) und der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch als Zwölftes Buch (SGB XII) durch Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 beantragten die Beschwerdeführer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowohl nach dem SGB XII als auch nach dem SGB II.
Der Träger der Sozialhilfe lehnte den Antrag am 6. Januar 2005 ab, weil die Beschwerdeführer nicht zu dem Personenkreis gehörten, der nach dem SGB XII leistungsberechtigt sei.
Die Arbeitsgemeinschaft der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende lehnte den entsprechenden Antrag am 13. Januar 2005 ab. Sie verwies auf die Einstellung der Sozialhilfe im Oktober 2003. Es beständen nach wie vor Zweifel am Bestehen einer Notlage. Die Beschwerdeführer hätten die seinerzeit vorliegenden Unklarheiten bis heute nicht ausgeräumt. Dies gehe zu ihren Lasten, da die Mitwirkung am Verwaltungsverfahren eine Nebenverpflichtung eines Anspruchstellers und das Fehlen finanzieller Mittel nach § 9 SGB II Leistungsvoraussetzung sei.
3. Gegen beide Ablehnungsbescheide erhoben die Beschwerdeführer Widerspruch. Außerdem beantragten sie in beiden Verfahren einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 2 und 3 SGG.
Sie legten ärztliche Atteste vor, nach denen sie an nicht heilbaren, dauernd behandlungsbedürftigen chronischen Krankheiten litten und nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig seien. Sie seien mittellos. Sie hätten in der Vergangenheit von Zuwendungen Privater, vom Verkauf ihrer Wertgegenstände, vom Betteln und von Ladendiebstählen gelebt. Ihre Wohnung sei gekündigt; es bestehe ein Mietrückstand von mehreren Tausend Euro. Ihr Girokonto sei überzogen. Die Einstellung der Versorgung mit Energie sei angedroht. Ihr Krankenversicherungsschutz drohe zu erlöschen. Die Beschwerdeführer legten Belege und andere Unterlagen sowie eidesstattliche Versicherungen vor. Sie meinten, es sei unzulässig, dass sie wegen der Unaufklärbarkeit mehrere Jahre zurück liegender Vorgänge dauerhaft von jeglichen Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ausgeschlossen seien. Insoweit rügten sie auch eine Verletzung in ihren Grundrechten.
a) Den Eilantrag gegen den Sozialhilfeträger wies das Sozialgericht am 28. Januar 2005 ab. Es führte aus, die Beschwerdeführer hätten weder ihre Erwerbsunfähigkeit noch ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht. Das Landessozialgericht...
Um weiterzulesen
FORDERN SIE IHR PROBEABO AN-
Beschluss vom 10.12.2014 - BVerwG 6 C 18.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......
-
Beschluss vom 10.12.2014 - BVerwG 6 C 16.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......
-
Beschluss vom 05. Mai 2014 - 2 BvR 1823/13
...des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, S. 927 ; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2008 - 2 BvR 338/08 -, juris). Zudem ist zu beachten, dass die fa......
-
Beschluss vom 25.02.2015 - BVerwG 6 C 33.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......
-
Beschluss vom 10.12.2014 - BVerwG 6 C 18.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......
-
Beschluss vom 10.12.2014 - BVerwG 6 C 16.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......
-
Beschluss vom 05. Mai 2014 - 2 BvR 1823/13
...des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, S. 927 ; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2008 - 2 BvR 338/08 -, juris). Zudem ist zu beachten, dass die fa......
-
Beschluss vom 25.02.2015 - BVerwG 6 C 33.13
...entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ). Diese Voraussetzungen dürften im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG regelmäßig vorliegen; denn ohne die vorherige An......